Radfahrer absteigen! Das klingt harsch. Zeichen 1012-32, wie das Schild offiziell heißt, kommt im Befehlston daher, obgleich man auf das Ausrufezeichen verzichtet hat. Sollte man nun dem Befehl Folge leisten? Das muss nicht sein.
Zeichen 1012-32 kommt nicht in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vor. Es ist aber im Verkehrszeichenkatalog aufgeführt und damit ein amtliches Verkehrszeichen.
Die Aufforderung "Radfahrer absteigen" selbst stellt schon ein Rätsel. Sie richtet sich an Radfahrer. Ein Radfahrer, der ihr nachgekommen ist, ist aber gar kein Radfahrer mehr, sondern ein Fußgänger, der noch ein Fahrzeug nämlich ein Fahrrad mitführt. An ihn ist die Aufforderung nicht gerichtet. Er kann also wieder auf das Fahrrad, das er dabei hat, steigen und davonfahren? Oder ist er dann doch wieder Adressat des Schildes, dessen Wortlaut er bereits nachgekommen ist? Wann und wo darf denn der "Fußgänger aufsteigen"? Ein Pendant des Zeichens, das eine derartige Anordnung trifft, gibt es nicht. Muss also der Radfahrer auf ewig abgestiegen bleiben? Soll er ein Stück schieben? Wie weit ist dieses Stück?
Die Rechtsprechung schweigt sich aus. Es scheint keine zu geben, die sich auf das Zeichen 1012-32 bezieht und es interpretiert. Die StVO enthält auch kein Wort darüber, dass ein Verstoß - wie immer er aussehen sollte - eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Also kann man nicht dagegen verstoßen. Bußgelder drohen nicht.
Aber "Radfahrer absteigen" ist ein Zusatzzeichen. Zusatzzeichen gelten nur in Verbindung mit einem Verkehrszeichen und zwar dem, das unmittelbar darüber steht. Alleine aufgestellt enthalten sie keine wirksame Anordnung. Sie gehören zu dem Verkehrszeichen darüber. Dessen Anordnungen verändern sie, sofern die StVO nichts anderes angibt (§ 41 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 StVO). Zeichen 1012-32 ist nicht in der StVO angeführt, gehört also zu den ersteren Zusatzzeichen und "enthält nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote [eines
Verkehrszeichens] oder allgemeine Ausnahmen von ihnen".
Welche könnten das sein? Hier einmal die
Zusatzzeichen 1012-32 |
1. Steht das Zeichen alleine, enthält es als Zusatzzeichen überhaupt keine wirksame Anordnung und kann ignoriert werden.
Sie sollten allerdings mit größter Vorsicht weiterfahren. Warum, steht unten bei "Zivilrecht". |
Zeichen 237 und Zusatzzeichen 1012-32 |
2. Radfahrer, die auf diesem Weg fahren wollen, sollen dort anscheinend absteigen. Dann sind sie aber keine Radfahrer mehr, sondern Fußgänger. Sie müssen als Fußgänger sofort den Radweg verlassen. Wer sein Fahrrad schiebt, muss das auf dem Gehweg tun, aber nur, wenn er dabei andere Fußgänger nicht erheblich behindert. Sonst muss er am rechten Rand der Fahrbahn schieben.
Hier ist ein Radweg gekennzeichnet, bei dem die Straßenverkehrsbehörde der Ansicht ist, dass man dort nicht Rad fahren soll. Damit ordnet Zeichen 237 in dieser Form keine Benutzungspflicht des Radwegs an. Fahren Sie mit dem Rad auf der Fahrbahn, so vorhanden. Das ist die sicherste und schnellste zulässige Variante. Wenn Sie stattdessen absteigen und schieben wollen, sollten Sie das auf einem nahegelegenen Gehweg tun, sofern es ihn gibt und er breit genug ist, so dass andere nicht behindert werden. Sonst nehmen Sie zum Schieben eine nahegelegene Fahrbahn, sofern diese existiert. Dann können Sie aber auch gleich auf der Fahrbahn mit dem Rad fahren, denn ein benutzungspflichtiger Radweg, der ihnen das verbieten könnte, ist nicht vorhanden. Auf keinem Fall sollten Sie auf dem Radweg schieben oder auf dem Gehweg fahren. Sie können aber auch sagen: Zeichen 1012-32 enthält sowieso keine festgelegte und bußgeldbewehrte Anordnung. Ich fahre also auf dem Radweg weiter. Wenn Sie das tun, sollten Sie das aber mit größter Vorsicht tun, mehr als Sie sonst auf Radwegen wegen deren erhöhten Unfallgefahren walten lassen. Dazu steht unten bei "Zivilrecht" mehr. |
Zeichen 240 und Zusatzzeichen 1012-32 |
3. Das Zusatzzeichen ist an Radfahrer adressiert, bezieht sich also auf den Teil des Zeichen 240, das einen benutzungspflichtigen Radweg anordnet. Damit ist die Interpretation ähnlich wie oben bei Zeichen 237 mit dem Unterschied, dass nun die Abgestiegenen auf dem gleichen Weg schieben dürfen, wieder sofern dabei keine anderen Fußgänger erheblich behindert werden. Diese Einschränkung ist deswegen so zu betonen, weil Zeichen 1012-32 gerne als Baustellenbeschilderung verwendet wird, wo häufig nicht genug Platz auf dem Gehweg verbleibt.
Hier ist ein Radweg gekennzeichnet, auf dem man nicht Rad fahren soll. Damit ordnet Zeichen 240 mit diesem Zusatzzeichen keine Benutzungspflicht des Radwegs an. Fahren Sie mit dem Rad auf der Fahrbahn, so vorhanden. Das ist die sicherste und schnellste zulässige Variante. Wenn Sie stattdessen absteigen und schieben wollen, sollten Sie dies auf dem gleichen Weg tun, sofern er offensichtlich breit genug ist, um Schieben zu können ohne andere damit zu behindern. Sonst wählen Sie zum Schieben eine nahegelegene Fahrbahn, sofern diese vorhanden ist. Dann können Sie aber auch gleich auf der Fahrbahn mit dem Rad fahren, denn ein benutzungspflichtiger Radweg, der ihnen das verbieten könnte, ist nicht vorhanden. Sie können aber auch sagen: Zeichen 1012-32 enthält sowieso keine festgelegte und bußgeldbewehrte Anordnung. Ich fahre also auf dem Radweg weiter. Wenn Sie das tun, sollten Sie das aber mit größter Vorsicht tun, mehr als Sie sonst auf Radwegen wegen deren erhöhten Unfallgefahren walten lassen. Dazu steht unten bei "Zivilrecht" mehr. |
Zeichen 241 und Zusatzzeichen 1012-32 |
4. Hier gilt das oben unter 2. und 3. geschriebene in ähnlicher Weise. Zum Schieben ist ein parallel verlaufender Gehweg vorhanden. Ob er jedoch breit genug dazu ist, lässt sich gerade bei dieser Variante am ehesten bezweifeln. Denn der Platz für den Radweg wurde den Fußgängern bereits von ihrem Gehweg "abgezwackt".
Das Zusatzzeichen ist an Radfahrer adressiert, bezieht sich also auf den Teil des Zeichen 241, das einen benutzungspflichtigen Radweg anordnet. Es bedeutet, dass die Straßenverkehrsbehörde der Meinung ist, dass dieser Weg nicht fahrend zu benutzen ist. Hier ist ein Radweg gekennzeichnet, auf dem man nicht Rad fahren soll. Damit ordnet Zeichen 241 mit diesem Zusatzzeichen keine Benutzungspflicht des Radwegs an. Fahren Sie mit dem Rad auf der Fahrbahn, so vorhanden. Das ist die sicherste und schnellste zulässige Variante. Wenn Sie trotzdem absteigen und schieben wollen, dann auf dem parallelen Gehweg, wenn er offensichtlich breit genug dazu ist, so dass andere nicht behindert werden. Sonst wählen Sie zum Schieben eine nahegelegene Fahrbahn, sofern diese vorhanden ist. Dann können Sie aber auch gleich auf der Fahrbahn mit dem Rad fahren, denn ein benutzungspflichtiger Radweg, der ihnen das verbieten könnte, ist nicht vorhanden. Sie können aber auch sagen: Zeichen 1012-32 enthält sowieso keine festgelegte und bußgeldbewehrte Anordnung. Ich fahre also auf dem Radweg weiter. Wenn Sie das tun, sollten Sie das aber mit größerer Vorsicht tun als Sie sonst auf Radwegen wegen deren erhöhten Unfallgefahren walten lassen. Dazu steht unten bei "Zivilrecht" mehr. |
Zeichen 239 und Zusatzzeichen 1012-32 |
5. Da auf Gehwegen ohnehin nicht Rad gefahren werden darf, enthält diese Kombination der Schilder keine Anordnung, die nur über ein reines "Fußgänger"-Zeichen (Zeichen 239) hinaus ginge. Das Zusatzzeichen hängt damit sogar illegal hier herum (vgl. die VwV zu den §§ 39 bis 43 StVO I). Die Straßenverkehrsbehörde sollte das Zusatzzeichen entfernen lassen, spätestens auf Ihren Hinweis hin.
Dies ist ein Gehweg. Radfahren ist dort verboten. Sie dürfen ihr Fahrrad schieben, wenn Sie damit nicht andere Fußgänger erheblich behindern könnten. |
Zeichen 250 und Zusatzzeichen 1012-32 |
6. Diese Kombination ist inhaltslos und damit wie oben unter
5. beschrieben illegal. Zeichen 250 verbietet bereits das Fahren, auch das Radfahren auf dieser Straße. Dazu gehören auch die Gehwege, auf denen Radfahren ohnehin stets verboten ist.
Sie dürfen Ihr Rad hier schieben, am einfachsten auf der Fahrbahn dieser Straße, wo ohnehin niemand fahren darf. |
Zeichen 254 und Zusatzzeichen 1012-32 |
7. Auch hier ergibt das Zusatzzeichen keinen anderen Sinn als das Verkehrszeichen alleine. Das Zusatzzeichen ist ebenfalls (vgl. oben bei 5. und 6. überflüssig und damit illegal aufgestellt. Zeichen 254 alleine verbietet das Radfahren in dieser Straße, d.h. auf allen Teilen der Straße, einschließlich Fahrbahn und Gehwegen.
Sie dürfen Ihr Rad hier schieben. Auf dem Gehweg sollten sie nur schieben, wenn Sie damit nicht andere Fußgänger erheblich behindern könnten. Im Zweifelsfall schieben Sie besser ihr Fahrrad auf der Fahrbahn. |
Zeichen 205 und Zusatzzeichen 1012-32 |
8. Eine sinnfreie Kombination. Denn wer absteigt, ist Fußgänger und unterliegt dadurch keinen Vorfahrtsregeln.
Sie können hier absteigen, müssen es aber nicht. Es genügt, so wie Zeichen 205 es anordnet, die Vorfahrt zu achten. Erhöhte Vorsicht ist jedoch geboten. Möglicherweise ist das Zusatzzeichen "Radfahrer absteigen" dort angebracht, weil es sich hier um eine besondere Gefahrstelle handelt und die Straßenverkehrsbehörde die Entschärfung der Radfahrern auferlegen möchte. |
Das Zusatzzeichen 1012-32 soll häufig andeuten, dass eine Behörde nicht möchte, dass Radfahrer hier fahren. Möglicherweise wird damit versucht, die Amtshaftung nach einem Unfall an einer besonderen Gefahrstelle, die die Behörde erkannt, aber nicht beseitigt hat, auf die dort fahrenden Radfahrer abzuwälzen. Denn die Behörde kann in solch einem Fall darauf verweisen, dass sie ja angeordnet hätte, dass Radfahrer dort absteigen sollen. Dieser Vorhalt könnte Ihnen nach einem Unfall an einer durch Zusatzzeichen 1012-32 gekennzeichneten Stelle gemacht werden und auch Ihren Schuldanteil als Radfahrer bestimmen.
Am einfachsten meiden Sie also solche Gefahrstellen besser. Mit Zusatzzeichen 1012-32 gekennzeichnete Radwege sind ohnehin nicht benutzungspflichtig und alle Alternativen sicherer, als sich auf dem Weg in eine ausgewiesene Gefahr zu begeben. Wenn Sie dennoch der Meinung sind, solche Abschnitte benutzen zu müssen, tun Sie das bitte nur mit besonderer Vorsicht.
Dieser Text wurde komplett übernommen von © Bernd Sluka